Vom 25.11. bis zum 30.11.2025 wurde die Ausstellung „Zapatos Rojos“ auf dem Vorplatz des Theater Ansbachs gezeigt. Anlässlich der Eröffnung sprach Christine Schwab. Ihren Input können Sie hier nach lesen.
Frauen aus Stadt und Landkreis Ansbach haben Schuhe gespendet. Jedes Paar dieser Schuhe da draußen gehörte einer Frau. Sie hat damit getanzt, sie ist damit spazieren gegangen, ist damit zur Arbeit oder Schule gelaufen, hat ihre Kinder in die Kita gebracht. Sie hat sich damit für ein Date schön gemacht oder mit ihren roten Schuhen einfach ihre Lebensfreude ausgedrückt.
Jedes Paar dieser Schuhe da draußen steht seit heute für eine weitere Frau, eine Tochter, eine Freundin, eine Schwester, eine Mutter, eine Oma, eine Kollegin, die fehlt, weil sie getötet wurde. Getötet, weil sie eine Frau war.
Femizide sind laut Definition Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen, bei denen das Geschlecht des Opfers eine entscheidende Rolle spielt. Zum Beispiel die Tötung der Frau aus einem Besitz- und Machtdenken heraus, weil sie sich von ihrem Mann getrennt hat, weil sie ein Störfaktor im Leben geworden war, aus Eifersucht oder auch sogenannte Ehrenmorde)
Die Täter haben oft ein sexistisches Geschlechter- und Rollenverständnis und halten weibliche Personen für ungleichwertig. Und obwohl weltweit die Mehrheit der Opfer von Tötungsdelikten Männer sind, betreffen bestimmte Formen von tödlicher Gewalt überwiegend Frauen, z.B.: nach sexualisierten Übergriffen oder im häuslichen bzw. familiären Bereich.
In den meisten Fällen handelt es sich bei den Tätern um Partner oder Ex-Partner.
Hinter diesen Taten stehen oft Jahre der Kontrolle, der Angst, der psychischen und körperlichen Gewalt, des Missbrauchs und der systematischen Entwertung. Die Zahl der Femizide (132 Fälle 2024 in Deutschland) zeigt nur die Spitze des Eisbergs. Was davor passiert geschieht meist im Verborgenen. Und nur ein Bruchteil wird angezeigt, aus Angst, Hilflosigkeit und aus Scham. Wenn Sie nachher noch einmal vor den roten Schuhen stehen, stellen Sie sich bitte tausende grauer Schuhe drum herum vor, als die Dunkelziffer.
Wir leben in einer Welt, in der sexualisierte Gewalt an Frauen an der Tagesordnung ist.
Es ist leider normal bei uns, dass junge Frauen auf dem Nachhauseweg den Schlüssel zwischen den Fingern halten, um sich verteidigen zu können. Es ist bei uns leider normal, dass wir bereits junge Mädchen zum Selbstverteidigungskurs schicken. Es ist bei uns leider normal, dass Frauen in der Bar ihr Getränk beaufsichtigen müssen.
Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über „Paarship“. Alle 3 Minuten erlebt eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Expartner.
Jede Stunde wurde 2024 irgendwo in Deutschland eine Frau oder ein Mädchen vergewaltigt. 859 Frauen und Mädchen wurden Opfer eines versuchten oder vollendeten Tötungsdelikts. Die Zahlen wurden veröffentlicht von „Monitor“ / WDR die sich als Quelle auf das Bundeslagebild 2024 zu „geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ des Bundeskriminalamtes beziehen. Die Dunkelziffer ist dabei nicht berücksichtigt.
Der Begriff Femizid hilft uns zu verstehen: Diese Morde entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern stehen im Zusammenhang mit tief verwurzelter Ungleichheit zwischen Frauen und Männern. Einem tödlichen Ende geht zumeist ein ganzes Spektrum an Gewalt voraus, dass in patriarchale Machtverhältnisse und Denkmuster eingebettet ist.
Auf der Basis von Sexismus, Machtungleichheit und Objektifizierung fängt es an mit Sexualisierung in der Werbung, sexistischen Witzen und Catcalling, es geht über Blicke, über Anfassen ohne Konsens, bis hin zu sexualisierter Gewalt und Femiziden.
Interessant finde ich, was der Wirtschaftswissenschaftler Boris von Heesen sagt: „Die patriarchalen Strukturen belastet nicht nur Menschen in unserer Gesellschaft, sie verursachen auch immense Kosten”, und er kann das klar beziffern:
Männer verursachen jedes Jahr Kosten in Höhe von 63,5 Milliarden Euro.
Von Heesen hat dafür Statistiken ausgewertet und bspw. die Kosten für Gefängnisaufenthalte, sexuelle Übergriffe, jede Menge Gewalttaten oder Wirtschaftskriminalität in seinem Buch „Was Männer kosten”, zusammengetragen. Ihm geht es vor allem darum, auf die kolossale Schieflage in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und auf das momentane Revival altmodischer Männlichkeitsbilder, wie sie in der sogenannten „Manosphere“ gefeiert werden.
Die Manosphere – das sind Blogs, Foren und Online-Communities in Social Media, in denen toxische Männlichkeitsbilder und Frauenfeindlichkeit ganz offen geteilt werden. Die Themen reichen von vermeintlichen „Coachings“ zur Selbstoptimierung über Ratgeber zu dominantem Verführen und das Beherrschen weiblicher Sexualität, bis hin zu Vergewaltigungsfantasien.
Männer, die in der Manosphere unterwegs sind, lehnen Gleichberechtigung ab und geben Frauen die Schuld für gesellschaftliche und ihre persönlichen Probleme.
Unser Ziel sollte sein, dass es gar nicht erst zu tödlicher Gewalt kommt.
Die Prävention darf dabei nicht erst bei speziellen Unterstützungsdiensten wie Frauenhäusern, Schutzanordnungen, Beratung oder Rechtshilfe ansetzen. Vorbeugung von geschlechtsspezifischer Gewalt muss bereits die Ursachen in den Blick nehmen: die Überordnung von Männern über andere Geschlechter, männliche Kontroll- und Besitzansprüche, patriarchale Rollenbilder und traditionelle Geschlechterstereotype sowie die Missachtung des Rechts auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung eines jeden Menschen – im analogen wie auch im digitalen Raum.
Auf der Suche nach einer Lösungsidee bin ich auf die französische Philosophin Manon Garcia gestoßen. Sie schreibt, es sei eine spezifisch weibliche Erfahrung, sich jederzeit als «vergewaltigbar» zu wissen. Mädchen und Frauen würden in dem Glauben erzogen, dass die Bedrohung ständig da ist und man keine andere Option hat, als sich darauf einzustellen.
Manon Garcia sagt: «Ich denke, gewisse Männer sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass sie ein Anrecht auf bestimmte Dinge haben, insbesondere auf sexuelle Dienstleistungen. Wenn man sie ihnen nicht freiwillig gibt, werden sie sich diese nehmen.»
Und sie macht sich stark für ein Erotisieren der Gleichheit statt der Herrschaft. Heißt: Weg von der Vorstellung, dass männliche Dominanz und weibliche Passivität «natürlich» oder «erotisch» seien. Also: Begehren nicht mehr mit Macht, sondern mit Gegenseitigkeit zu verknüpfen, Einvernehmlichkeit nicht nur als juristische Kategorie zu verstehen, sondern als Ausdruck einer gegenseitigen Anerkennung und Freiheit. Es geht darum, neue erotische Fantasien und Praktiken zu entwickeln, die nicht auf Dominanz und Unterwerfung basieren, sondern auf Respekt und Gleichheit.
Garcia sieht darin einen emanzipatorischen Weg, um aus patriarchalen Mustern auszubrechen. Sie fordert dazu auf, nicht nur gesellschaftliche Strukturen zu verändern, sondern auch die Vorstellungen von Lust, Begehren und Intimität zu hinterfragen und neu zu denken.
Wir sollten über Konsens sprechen.
Über den eigenen Körper bestimmen, die eigenen Grenzen kennen und kommunizieren, das kann man gar nicht früh genug lernen – am besten schon im Kindesalter.
Diese Fähigkeiten schützen nicht nur vor sexuellen Übergriffen, die in jedem Alter vorfallen können, sondern sind auch eine wichtige Grundlage für eine Sexualität auf Augenhöhe.
Der Begriff Konsens bedeutet Übereinstimmung oder Zustimmung. Sexueller Konsens meint also die Zustimmung zu sexuellen Handlungen, wie auch immer diese aussehen oder definiert werden – eine Zustimmung, die, wohlgemerkt, jederzeit widerrufen werden kann.
Dieser Konsens fällt unterschiedlich aus – mit Worten ausgedrückt oder durch entsprechendes Verhalten signalisiert. Es bedeutet, dass man einen Menschen nur dann anfasst, wenn er oder sie auch angefasst werden will. Und man hat Sex mit einem Menschen auch nur dann, wenn diese Person dem zustimmt. Konsens bedeutet, vorher sicherzustellen, dass die Partnerin/der Partner auch wirklich will.
Neben anderen europäischen Staaten gilt seit Oktober auch im französischen Strafrecht „Nur Ja heißt ja“. Als Vergewaltigung wird demnach jede sexuelle Handlung ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen Menschen definiert. Der Senat in Paris verabschiedete eine entsprechende Gesetzesänderung. „Schweigen oder das Fehlen einer Reaktion“ gelten nicht länger als Zustimmung zu einem sexuellen Akt. Es braucht vielmehr ein ausdrückliches Ja.
In Deutschland gilt seit 2016 das durchaus umstrittene Prinzip „Nein heißt Nein“. Demnach sind alle sexuellen Handlungen als Vergewaltigung strafbar, die gegen „den erkennbaren Willen einer anderen Person“ vollzogen werden. Bei uns muss eine Frau hinterher beweisen, dass es auch wirklich ein nein war.
Mit dieser Thematik befasst sich das Theaterstück „Prima Facie“, das im Theater Ansbach zur Aufführung kam und das die fantastische Sophie Weikert als Einpersonenstück in sehr eindrucksvoller Weise für Sie gespielt hat.
Unsere Ausstellung Zapatos Rojos setzt ein Zeichen,
dass Gleichwürdigkeit von Frauen und Männern ein Ziel ist, das wir, Frauen – und Männer gemeinsam weiter stärken müssen als unsere gemeinsame Verantwortung.
Nur wenn wir hinschauen, erkennen wir das ganze Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in unserer Gesellschaft.
Vielen Dank, dass Sie dies gemeinsam mit uns tun.
Christine Schwab